AHMADOU KOUROUMA liest aus seinem Buch

"ALLAH N'EST PAS OBLIGE" 

"Allah muss nicht gerecht sein" Erlebnisse eines Kindersoldaten

Kourouma: Bild N.Geißelbrecht  (24KB)

Ahmadou Kourouma am 21.10.2002 in Kiel


Nina G., ehemalige Schülerin der Thomas-Mann-Schule Lübeck, berichtet von der Lesung im Literaturhaus Kiel im Oktober 2002

Der Abend begann mit der Vorstellung Ahmadou Kouroumas durch einen Redner auf französisch. Mme Rönnau von Centre Culturel Français in Kiel übersetzte. Anschließend las M. Kourouma die ersten Seiten aus seinem Buch „Allah n’est pas obligé“ vor. Er hat einen afrikanischen Akzent, aber trotzdem konnte man ihn recht gut verstehen. Nach kurzer Zeit beendete M. Kourouma seine Lektüre und bat darum, dass ein anderer weiterlese, da er selber nicht gerne aus seinen Büchern vorlese. Also wurden noch einmal die ersten Seiten und die nächsten Auszüge aus dem Buch von einem anderen, diesmal auf deutsch, vorgelesen. Währenddessen wirkte M. Kourouma etwas müde. Er schloss zwischendurch auch mal die Augen und lehnte sich zurück. 

Anschließend erzählte M. Kourouma, wie er dazu gekommen sei, dieses Buch zu schreiben. Er sei nämlich in Dschibuti in verschiedenen Schulen gewesen, um aus seinen Büchern vorzulesen und etwas über sein Leben als Schriftsteller zu erzählen. In allen von ihm besuchten Schulen hätten ihn Kinder auf das Problem der Kindersoldaten angesprochen und gebeten, darüber ein Buch zu schreiben. Das habe ihn nachdenklich gemacht und schließlich habe er begonnen, darüber zu schreiben. Als er Jahre später wieder in den Schulen gewesen sei, um den Kindern sein fertiges Werk zu präsentieren, hätten diese natürlich schon längst die Schule verlassen. Aber die Kinder, die jetzt in den Schulen seien, seien sehr begeistert von dem Buch. M. Kourouma betont, dass er das Buch eigentlich für Erwachsene geschrieben habe, um auf die Situation der Kindersoldaten in Afrika aufmerksam zu machen. Zur Zeit (2002) gebe es in Afrika 300.000 bis  400.000 Kindersoldaten. Diese Kinder würden alle „von der Straße gesammelt“. Sie würden in völliger Armut leben. 

Viele Zuhörer waren sehr geschockt und schnell begann eine Diskussion (französisch-deutsch). Viele wollten wissen, wieso man Kinder als Soldaten nehme und ob dies eine Tradition in Afrika sei. Völlig entrüstet erwiderte M. Kourouma, dass es gewiss keine Tradition sei, sondern nur die aktuelle Situation. Man nehme Kinder als Soldaten, da Kinder naiv seien und alles glaubten und machten, was man ihnen sage. Sie wehrten sich nicht und so sei es sehr einfach, sie einzusetzen und auf das Töten zu trimmen. Falls sich doch einmal ein Kind wehre, werde es mit Drogen ruhig gestellt. Viele Kinde seien auch dankbar, dass man sie von der Straße geholt habe und würden somit nicht den Ernst ihrer Lage erkennen.

Dann wollten Zuhörer wissen, wieso M. Kourouma „Allah n’est pas obligé“ auf französisch geschrieben habe und „wieso er in seinem Buch so die französische Sprache vergewaltige“ . M. Kourouma lachte und antwortete, dass er dies tue, weil er nur auf französisch schreiben könne. In seiner Schulzeit sei es an der Schule verboten gewesen, afrikanische Sprachen zu sprechen. Man sei gezwungen worden, französisch zu reden und somit auch zu schreiben. Allerdings habe er das Buch nicht im Standardfranzösisch, sondern in „seinem“ Französisch geschrieben. Er habe dies getan, weil die Franzosen seine Sprache verschandelt hätten, als sie französische Kolonien in Afrika gründeten. Er findet, dass dies eine gerechte Strafe für die französische Sprache sei.

Da einige Zuhörer sein Buch noch nicht gelesen hatten, erklärte M. Kourouma die politische Situation an der Elfenbeinküste, damit die Zuhörer der Diskussion besser folgen konnten und auch die Fragen verstehen. M. Kourouma verglich die aktuelle Situation mit dem Nationalsozialismus in Deutschland während des 2. Weltkrieges und das Wort „Ivoirisme“ kommt auf. Dieses Wort bedeutet, dass alle Leute, die nicht die Nationalität der Elfenbeinküste besäßen, gehasst würden und dass man versuche, sie aus dem Land zu vertreiben. Diese beiden Äußerungen stießen auf sehr großen Protest bei den afrikanischen Zuhörern. Sie wurden wütend und schrien M. Kourouma an. Er schrie natürlich zurück und die ganzen Situation drohte zu eskalieren. Man brauchte sehr lange, um beide Seiten zu beruhigen. Schließlich einigte man sich darauf, politische Fragen nicht mehr vor dem deutschen Publikum zu diskutieren, sondern nach der Lesung untereinander. 

Am Ende der Diskussion wurde M. Kourouma aufgefordert, etwas aus seinem Leben zu erzählen, was er auch gerne tat. Er erklärte anschließend, dass sein Buch in  Liberia und Sierra Leone spiele, da diese beiden Staaten näher an seiner Heimat lägen und weil er somit einen besseren Bezug zu ihnen habe als zu Dschibuti. Man könne sein Buch allerdings auf ganz Afrika anwenden, da es (fast) überall Kindersoldaten gebe. Dennoch betonte er, dass er dieses Buch speziell für die Kinder in Dschibuti geschrieben habe, was er auch in seinem Vorwort zum Buch notiert habe. 
 

Zum Schluss signierte Ahmadou Kourouma die vielen mitgebrachten Bücher und ließ sich auch fotografieren. Hierbei gab er sich sehr viel Mühe und nahm sich Zeit für jeden Einzelnen. Nach circa zwei Stunden war der Abend zu ende.

Ich lernte Ahmadou Kourouma als einen sehr netten und freundlichen älteren Mann kennen und werde die Lesung lange in guter Erinnerung behalten. 

Nina G.  - Oktober 2002
Fotos: © Nina G.
 
 


Extraits du livre / Auszüge aus dem Buch

Allah muss nicht gerecht sein - deutsch von S. Hertling - Knaus-Verlag (2002)
ISBN: 3-8135-0196-5
Allah n'est pas obligé - Editions du Seuil. Paris (2000)

Link zur deutschen Ausgabe:
Kulturweltspiegel WDR vom 28.07.2002
 

Weitere Links zum Thema:
Child Soldiers Homepage: Coalition to stop the use of Child soldiers
Le Monde diplomatique (2000): Birahima, l'enfant-soldat 
Netzwerk Afrika Deutschland: Kindersoldaten
SWR - Ich habe getötet - Kindersoldaten in Liberia
Terre des Hommes - Kinder und Krieg 
Fremdverstehen Afrika (Susan Wessin): Literatur und Linkliste / Spécial Afrique - Littérature
 

Ahmadou Kourouma est mort ( A. Kourouma a été inhumé le 17/12/2003 - Article paru sur www.nouvelobs.com)
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